CFM: Das Schlichtungsergebnis ablehnen, um TVöD für alle zu erkämpfen?

Das Ergebnis der Schlichtung im Arbeitskampf der CFM steht fest. Nun soll es den Kolleg:innen zur Abstimmung vorgelegt werden. Doch die von ver.di und dem CFM-Management ausgehandelte Lösung ist weit vom geforderten TVöD entfernt – stattdessen würde sie Niedriglöhne für viele weitere Jahre festschreiben. Die Beschäftigten hätten also gute Gründe, das Angebot abzulehnen.

Im Herbst vergangenen Jahres wurde der Streik der CFM-Beschäftigten für einen Tarifvertrag auf Höhe des TVöD unterbrochen und ohne Befragung der Streikenden in eine Schlichtung geführt. Nach mehreren Monaten liegt nun ein Ergebnis vor. Erste Medienberichte erweckten den Eindruck, es sei eine zügige Angleichung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienst (TVöD) beschlossen worden. Doch selbst mit dem in der ver.di-Tarifinfo vom 11. März veröffentlichten Fahrplan würde es noch mindestens bis 2027 dauern, um auch nur auf dem Papier 100 Prozent TVöD zu erreichen – und selbst das ist eher Augenwischerei.

Warum? Laut ver.di-Angaben soll der Lohn bei der CFM ab diesem Jahr 88 Prozent des TVöD betragen. Doch zwischen dem riesigen TVöD-Vertragswerk und dem handgestrickten Entwurf für die CFM gibt es wichtige Unterschiede. Picken wir uns nur einige wenige Filetstücke heraus: Beschäftigte der Charité erhalten durch den TVöD eine jährliche Sonderzahlung, die zusammen mit einem leistungsabhängigen Bonus und einer Extrazahlung für einige der Entgeltgruppen in etwa einem zusätzlichen vollen Monatsgehalt entspricht. Den CFM-Beschäftigten wird dagegen eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 400 Euro angeboten. Außerdem regelt der TVöD nicht nur Löhne, sondern auch zusätzliche Vorteile, die über das aktuelle CFM-Angebot hinausgehen – wie die tarifliche Zuzahlung zum Krankengeld, die betriebliche Altersvorsorge oder höhere Schichtzulagen. Oder auch einen besonders starken Kündigungsschutz.

Anhand der veröffentlichten Tabellen können sich alle Kolleg:innen jetzt schon ein ungefähres Bild davon machen, was die Annahme des Angebots für sie bedeuten würde: Sicher wird es für die meisten eine gewisse Erhöhung mit sich bringen, aber eben weit von der Zielmarke des TVöD entfernt. Und besonders dreist ist der Vorschlag, neu Eingestellten in der Küche, der Reinigung, dem Archiv- und Sicherheitsdienst oder auch in der Zentralsterilisation nur 12,50 Euro pro Stunde zu zahlen. Das ist nämlich genau der Stundenlohn, den die CFM auch unabhängig von irgendeinem Tarifabschluss in Zukunft zahlen müsste. Denn 12,50 Euro sind der neu eingeführte Vergabemindestlohn des Landes Berlin. Mit einem so niedrigen Einstiegslohn gibt es außerdem wieder einen Anreiz für die CFM, befristete Verträge zu nutzen, um die vorgesehene Lohnerhöhung nach 2 Jahren Betriebszugehörigkeit zu unterlaufen.

Dazu kommt auch noch die Frage der Eingruppierung: Die jetzt vorgestellten Tabellen unterscheiden nicht nur nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, sondern auch nach einer nicht näher erläuterten „CFM-Qualifizierungskomponente“, die oft für einen Lohnunterschied von 100 oder 200 Euro pro Monat sorgt. Also doch noch eine Stellschraube für die Vorgesetzten, den Lohn „nach Nase“ anzupassen!

Das Angebot enthält auch eine jährliche Erhöhung der Lohntabellen um je 2 Prozent für 2022, 2023 und 2024. Da aber auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienst alle ein bis zwei Jahre mit Streiks Erhöhungen des TVöD erkämpfen, wird diese marginale Anpassung nicht dafür sorgen, dass jemals 100 Prozent TVöD bei der CFM erreicht werden. Die Lohnschere zwischen Charité-Angestellten und den Kolleg:innen der CFM wird also weiter auseinander gehen. Gleichzeitig bedeutet eine Laufzeit des Tarifangebots bis 2024 aber auch, dass so lange keine Streikaktionen (oder auch nur Verhandlungen) für höhere Löhne stattfinden können.

Das CFM-Management und der Senat wünschen sich natürlich, dass die Kolleg:innen dieses Angebot nun als alternativlos wahrnehmen – entweder es gibt eine magere Erhöhung oder gar nichts. Doch der Kampf muss noch nicht vorbei sein: Eine Ablehnung des Angebots wäre ein Signal für neue Streiks in diesem Jahr.

Aber war der letzte Streik nicht viel zu schwach, um mehr zu erreichen? Keineswegs. Denn vergangenes Jahr wurden die Streiks sowohl im März als auch im September gegen den Willen vieler Streikender abgebrochen – wenn es nach ihnen ginge, hätte man den Druck auf die CFM also noch deutlich erhöhen können. Und im März waren an wenigen Streiktagen fast 500 Kolleg:innen im Ausstand.

Das vor uns liegende Jahr ist in mehrerer Hinsicht gut für weitere Streikaktionen geeignet: Bei den Tochterunternehmen der Vivantes-Kliniken läuft im April die „Friedenspflicht“ aus. Dort haben sich die ausgelagerten Belegschaften sogar zusammengeschlossen, um eine gemeinsame Tarifkommission zu bilden. Anstatt CFM und Vivantes-Töchter zu trennen, sollte ver.di endlich zu gemeinsamen Streiks aufrufen!

Kein Wunder also, dass der Berliner Senat endlich einen Schlussstrich unter der Tariffrage bei der CFM ziehen will: Gemeinsame Streiks von Tochterunternehmen der beiden größten öffentlichen Kliniken wären für die Koalition eine enorme Belastung – erst recht in einem Jahr, in dem nicht nur der Bundestag, sondern auch das Berliner Abgeordnetenhaus neu gewählt wird!

Die einzige angemessene Antwort: „100 Prozent TVöD für alle!“

Der TVöD bildet mit einer Handvoll anderer Flächentarifverträge wie dem TV-L, dem Metall-Tarifvertrag, dem Bank-Tarifvertrag und anderen das Rückgrat und das Herz der Tariflandschaft in der BRD. Es sind Errungenschaften, die über viele Jahrzehnte durch harten Kampf der Beschäftigten erreicht wurden. Von diesen Kämpfen waren und sind die CFM-Beschäftigten ein Teil. Sie haben viele Jahre „für den TVöD für alle!“ gekämpft.

Jetzt in der Pandemie wird deutlich sichtbar, dass die CFM-Beschäftigten ein integraler Teil des Gesundheitssystems sind. In diesem Sinne sind auch sie systemrelevant. Sie haben sich über viele Jahre für ihre Rechte eingesetzt. Ihnen jetzt immer noch weniger als den vorgeschriebenen Lohn im Öffentlichen Dienst zahlen zu wollen, ist blanker Hohn. Ihre Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit ist nicht überhöht oder utopisch – sondern das einzige angemessene Vorgehen! Und sie können diese Forderung auch durchsetzen, genau wie die Therapeut:innen des CPPZ und die Kolleg:innen des Botanischer Garten es geschafft haben.

Der Zeitpunkt jetzt ist auch doppelt günstig, weil wir uns im „Superwahljahr“ befinden und Bürgermeister Müller Diskussionen darüber, dass die SPD den Koalitionsvertrag hinsichtlich der CFM gebrochen hat, überhaupt nicht gebrauchen kann. Denn der Tarifabschluss der CFM stellt einen groben Verstoß gegen den Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Regierungskoalition da und macht diese für informierte Gewerkschafter:innen unwählbar.

Anstatt die Koalition dafür im Wahljahr mit Öffentlichkeitsarbeit unter Druck zu setzen, holte die ver.di-Führung für den Senat die Kohlen aus dem Feuer. Denn von Seiten der Hauptamtlichen Gewerkschafter:innen, wurde alles unternommen, um einen Abschluss mit der versprochenen Angleichung an den TVöD zu verhindern. Dies zeigte sich unter anderem in den völlig undemokratischen Streikabbrüchen im März und September 2020.

Schlussendlich nahmen die ver.di-Hauptamtlichen durch die Schlichtung, über die ebenfalls nur von oben entschieden wurde, den Senat aus der Verantwortung. Einerseits wurde von ihnen argumentiert, dass Streiks während der Pandemie nicht ordentlich durchführbar seien, andererseits verzichtete man aber auch während der Schlichtung fast gänzlich auf Pressearbeit und die Skandalisierung des drohenden Bruchs mit dem Koalitionsvertrag. Durch den gesamten Verlauf des CFM-Streiks 2020 bis heute wurde offensichtlich, dass wichtige Teile des ver.di-Apparats, vom Bundesvorstand, über die Fachbereichsebene bis hin zum zuständigen Sekretär den Interessen des Senats näher stehen als den prekären und von Altersarmut bedrohten Beschäftigten der CFM. Gegen diese sozialpartnerschaftliche Ausrichtung, die lieber einen Kompromiss mit der Regierung und der CFM-Geschäftsführung sucht, als die berechtigten Forderungen der Belegschaft durchzusetzen, braucht es mehr Widerstand aus den Reihen der Gewerkschaftsmitglieder.

Immerhin, die Beschäftigten sind nicht verpflichtet, dieser Politik ihre Zustimmung zu geben: Sie könnten das Angebot auch ablehnen und sich auf neue Streiks vorbereiten. Die gewerkschaftliche Stärke ist die Demokratie und die Kraft der Vielen. Dagegen wurde das Schlichtungsverfahren unter Geheimhaltung gegenüber den ver.di-Mitgliedern und der Belegschaft geführt. Was bei diesem undemokratischen Vorgehen herauskommt, wird jetzt sichtbar. Stattdessen sollten alle Kolleg:innen die Chance haben, sich in Versammlungen (notfalls online) über das Ergebnis auszutauschen und erst dann ihre Stimme abzugeben.

Kampagne gegen Outsourcing und Befristungen

Berlin, 20.03.2021